Ausbildung - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Auch Azubis können auf Verdacht gekündigt werden

27. Februar 2015

Für die Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses gelten hohe Anforderungen. Dennoch kann der Arbeitgeber auch einem Auszubildenden kündigen, wenn der Verdacht einer schweren Pflichtverletzung besteht.

Der Kläger absolvierte seit August 2010 eine Ausbildung zum Bankkaufmann. In seiner Filiale erhielt er am 20.06.2011 die Aufgabe, die am Vortag hinterlegten Kassetten des Nachttresors zu öffnen und das darin befindliche Geld zu zählen. Später wurde festgestellt, dass von diesen Geldern 500,00 Euro in Form von zehn 50-Euro-Scheinen fehlten.

Angehender Bankkaufmann wird der Unterschlagung verdächtigt

Der Auszubildende wurde zu einem Gespräch bestellt. Nach Angaben seiner Vorgesetzten wurde er zunächst nur auf eine Differenz in der Kasse angesprochen. Er habe aber gleich von sich aus die konkrete Höhe des Fehlbetrags genannt.

Die Arbeitgeberin kündigte im Anschluss das Ausbildungsverhältnis fristlos. Er habe mit der spontanen Angabe des konkreten Betrags so genanntes Täterwissen offenbart. Daher bestehe gegen ihn der Verdacht, das Geld tatsächlich an sich genommen zu haben. Auch der Betriebsrat wurde angehört und stimmte der Kündigung zu.

Der Auszubildende erhob Klage. Er ist der Meinung, die Kündigung sei unwirksam, da eine Verdachtskündigung im Ausbildungsverhältnis gar nicht zulässig sei. Zudem sei er nicht ordnungsgemäß von seiner Arbeitgeberin angehört worden.

Seine Vorgesetzten hätten ihn vorher nicht informiert, dass es in dem Gespräch um eine Kassendifferenz gehen sollte. Er sei auch nicht auf die Möglichkeit hingewiesen worden, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.

Fristlose Verdachtskündigung ist auch im Ausbildungsverhältnis möglich

Wie die Vorinstanzen wies auch das BAG die Kündigungsschutzklage ab. Auch beim Ausbildungsverhältnis lässt § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund zu. Ein wichtiger Grund, so das BAG, könne ebenso wie bei Arbeitnehmern auch bei einem Auszubildenden bereits der dringende Verdacht einer schweren Pflichtverletzung sein.

Die Verdachtskündigung sei gerechtfertigt, wenn der Verdacht es dem Ausbildungsbetrieb objektiv unzumutbar macht, die Ausbildung fortzusetzen. Die vorherigen Instanzen hätten dies festgestellt, alle Umstände korrekt gewürdigt und auf die besondere Schutzwürdigkeit eines Auszubildenden Rücksicht genommen.

Die Arbeitgeberin war nicht verpflichtet, ihm das Thema des Personalgesprächs vorab bekannt zu geben und musste ihn auch nicht auf die Möglichkeit verweisen, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.

Quelle:
BAG, Urteil vom 12.02.2015
Aktenzeichen 6 AZR 845/13
BAG. Pressemitteilung Nr. 6/15 vom 12.02.2015

Folgen für die Praxis

Mit Anmerkungen von Jens Pfanne, DGB Rechtsschutz GmbH

Hohe Anforderungen an Kündigung von Auszubildenden

Für die Kündigung von Ausbildungsverhältnissen gelten besondere Regelungen. Nach Ablauf einer Probezeit von höchstens vier Monaten (§ 20 BBiG) ist eine Kündigung nur aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist erlaubt (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG).

Zudem hat die Kündigung schriftlich unter der Angabe der Kündigungsgründe zu erfolgen. Für die Wirksamkeit einer Kündigung ist die Frage maßgeblich, ob dem Ausbildungsbetrieb die Fortsetzung des Vertrags bis zum Ablauf der Ausbildungszeit zugemutet werden kann.

Eine Abwägung des Einzelfalls findet unter besonderer Berücksichtigung der Jugendlichkeit und des Entwicklungsstands des Auszubildenden und der Ausbildungs- und Erziehungspflicht des Ausbildenden statt. Daher ist vor einem arbeitsgerichtlichen Prozess ein Verfahren bei den zuständigen Stellen (Handwerksinnungen bzw. berufsständischen Kammern) zur Beilegung der Streitigkeit durchzuführen.

Was kann ein wichtiger Grund im Sinne des BBiG sein?

Als wichtige Gründe kommen insbesondere wiederholte Pflichtverstöße mit vorheriger Abmahnung eines Auszubildenden sowie nachgewiesene Vermögensdelikte in Betracht. Mit der vorliegenden Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht den Katalog um die Verdachtskündigung als eigenständigen Kündigungsgrund auch auf Ausbildungsverhältnisse erweitert.

Voraussetzung hierfür ist zunächst ein dringender Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Der Arbeitgeber ist für die konkreten Umstände beweisbelastet.

Hohe Beweislast für den Arbeitgeber

Darüber hinaus muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan haben. Dem Arbeitnehmer bzw. Auszubildenden ist die Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren. Nach der Rechtsprechung richtet sich der Umfang einer solchen Anhörung wiederum nach den Umständen des Einzelfalls.

In diesem Verfahren ging das Berufungsgericht davon aus, dass es sich im konkreten Fall um einen einfach gelagerten und klar eingegrenzten Sachverhalt gehandelt habe. Hierzu habe der Auszubildende ohne vorherige Recherchen bzw. »mentale« Vorbereitung Stellung nehmen können. Die Hinzuziehung einer Vertrauensperson sei in diesem Fall nicht erforderlich gewesen.

Verdacht eines Vermögensdelikts zerstört Vertrauen

Lehrlinge genießen zwar einen besonderen Schutz im Ausbildungsverhältnis, müssen aber bei dringendem Verdacht einer Straftat mit einer fristlosen Kündigung rechnen.

Bei einer Ausbildung zur/zum Bankkauffrau/-mann gelten bestehen besondere Anforderungen an das Vertrauen. Schon Auszubildende kommen in der Bank mit hohen Geldbeträgen in Berührung. Bereits durch den dringenden Verdacht eines Vermögensdelikts kann das Vertrauen in diesem sensiblen Bereich endgültig zerstört werden.

Rechtzeitige Beratung ist wichtig

Ist der Termin für eine Anhörung mit einer Vorlaufzeit angekündigt, ist es ratsam den in Betracht kommenden Sachverhalt vorher mit der zuständigen Gewerkschaft vorzubereiten. Auch ist es dem Auszubildenden möglich, zu den erhobenen Vorwürfen zunächst keine Stellung zu nehmen.

Damit bleiben möglicherweise nachteilige Äußerungen unausgesprochen. Erst nach Rücksprache mit den zuständigen Fachsekretären kann eine Stellungnahme schriftlich erfolgen.

Ob eine Verdachtskündigung für eine wirksame Beendigung einer Ausbildung in einem anderen Berufszweig ausreicht, werden die Gerichte in jeden Einzelfall neu prüfen.

Lesetipps der AiB-Redaktion:

  • Rat und Hilfe bei Personalgesprächen: »Wir müssen reden« von Schäfer/Staack in »Arbeitsrecht im Betrieb« 7-8/2014, S. 42 - 45.
  • Zu internen Ermittlungen in Unternehmen: »Das Verhör« von Jochen Brandt in »Arbeitsrecht im Betrieb « 10/2014, S. 42 - 44.
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