Arbeitszeugnis

Zeugnis ist kein Witzblatt

11. Januar 2017

Arbeitgeber zeigen mitunter einen seltsamen Humor, für den im Arbeitszeugnis aber kein Platz ist. Arbeitnehmer müssen sich nicht bieten lassen, dass überspitzte und ironische Beigaben ihre »wahren, klaren und wohlwollenden« Zeugnisse entwerten. Sagt der Arbeitgeber in einem Vergleich vor Gericht ein »gutes Zeugnis« zu, sollte der Arbeitnehmer auch den Wortlaut des Zeugnisses in den Vergleich aufnehmen. Das spart später viel Ärger.

Arbeitgeberin und Arbeitnehmer schlossen vor Gericht einen Vergleich über die Erteilung eines Zeugnisses. Der Vergleich hatte den Wortlaut: »Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis. Dem Kläger bleibt nachgelassen, der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorzulegen. Diese darf hiervon nur aus wichtigem Grund abweichen.«

Die Arbeitgeberin erstellte das Zeugnis, allerdings nicht wortgleich nach dem Entwurf des Klägers. Die Arbeitgeberin meint, sie sei dem Entwurf nur in wenigen Punkten aus wichtigen Grund nicht gefolgt. Im Übrigen habe sie nur alternative Worte gewählt. Diese seien daher ohne Auswirkung.

Zweifelhafte Wortwahl im Zeugnis

Der Arbeitnehmer ist anderer Ansicht. Die Formulierung der Zeugnisnote, »wenn es eine bessere Note als »sehr gut« geben würde, würden wir ihn damit beurteilen« würde das Zeugnis ins Lächerliche ziehen.
Dafür spricht auch, dass der Arbeitgeber vom Entwurf mit übertriebenen Adjektiven von der üblichen Leistungsbewertung abgewichen ist, zum Beispiel mit den Formulierungen »seiner extrem guten Auffassungsgabe« statt »seiner sehr guten Auffassungsgabe« und erledigte » Aufgaben mit äußerst beispielhaftem Engagement« statt »Aufgaben mit beispielhaftem Engagement«.
Auch die Wendung: »Herr F. verlässt unser Unternehmen zum 31.12.2015 auf eigenen Wunsch, was wir zur Kenntnis nehmen.« bestärkt die Auffassung des Klägers. Denn der Kläger hatte die –gebräuchliche – Formulierung vorgeschlagen: »Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.07.2015 auf eigenen Wunsch, was wir sehr bedauern.«

Rechtsanspruch auf Arbeitszeugnis

Der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses ergibt sich aus § 109 Gewerbeordnung (GewO).Dabei wird zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Zeugnis unterschieden. Das einfache Zeugnis erstreckt sich nur auf die Dauer der Tätigkeit und die verrichteten Aufgaben. Das qualifizierte Zeugnis beinhaltet auch Angaben zu Leistung und Verhalten während des Arbeitsverhältnisses. Das Zeugnis muss klar und verständlich sein. So die Formulierung in § 109 Absatz 2 GewO. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber das Zeugnis formulieren und erteilen.

Arbeitszeugnis im Vergleich

Hier wurde im Vergleich die Vereinbarung getroffen, dass der Kläger einen Zeugnisentwurf erstellt. Dies führt nicht dazu, dass die Beklagte blind den Entwurf übernehmen muss. Sie wäre ansonsten verpflichtet, Unwahres in das Zeugnis zu übernehmen.
Sinn und Zweck eines Zeugnisses ist es, einem späteren Arbeitgeber ein möglichst wahres Urteil über die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers zu geben. Werden Begriffe wie »stets« und »immer« durch Worte wie »äußerst« und »extrem« gesteigert, so ist für jeden unbefangenen Dritten erkennbar, dass diese Wortwahl nicht ernst gemeint sein kann. Dies insbesondere durch die abschließende Leistungsbeurteilung. Der ironische Charakter gipfelt in der Bedauernsformel. Dort wird ausdrücklich mitgeteilt, dass das Ausscheiden des Klägers keinen Verlust darstellt.

Arbeitgeber kommt der Verpflichtung zur Zeugniserteilung nicht nach. Zwangsvollstreckung wie?

Wurde die Erteilung eines Zeugnisses im gerichtlichen Vergleich geregelt, so erfolgt die Zwangsvollstreckung dahingehend, dass ein Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes gestellt wird. Wurde das Zeugnis erstellt, besteht aber mit dem Inhalt kein Einverständnis, so muss grundsätzlich eine Klärung durch eine Zeugnisberichtigungsklage erfolgen.
Eine Zwangsvollstreckung ist nur dann möglich, wenn das Gericht zur Auffassung gelangt, der Anspruch auf Erteilung des Zeugnisses ist nicht erfüllt. So war es im vorliegenden Fall.

Praxistipp:Zeugnis im Vergleich wörtlich regeln

Die Aufnahme des Zeugnistextes in einen Vergleich ist sehr sinnvoll. Ist dies nicht möglich, sollte zumindest vereinbart werden, welche Note im Leistungs- und Verhaltensbereich zu vergeben ist. Dies sollte mindestens ein »gut« sein.

Da kann der Betriebsrat tun:

Der Anspruch aufs Arbeitszeugnis ist ein individuelles Recht. Daher besteht kein Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei der Erteilung der Zeugnisse. Verwendet der Arbeitgeber standardisierte Textbausteine zur Zeugniserteilung, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Grundsätze, die der Beurteilung zu Grunde liegen, siehe § 94 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Arbeitnehmer wenden sich bei Zeugnisproblemen häufig an den Betriebsrat. Im Einzelfall kann sich um eine Beschwerde des Kollegen an den Betriebsrat nach §§ 84, 85 BetrVG handeln. Der Betriebsrat muss entscheiden, ob er sich der Beschwerde annimmt. In jedem Fall sollte er sich um Abhilfe beim Arbeitgeber bemühen. Eine Zeugnisänderung erzwingen kann er beim Arbeitgeber aber nicht.

Lesetipp:

»Sinnlose Zeugnisse« von Klaus Heimann in AiB 9/2016, S. 33-37 .

LAG Hamm, 14.11.2016 - 12 Ta 475/16Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH
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