Mitbestimmung

Krankmelden nach örtlicher Vereinbarung

25. Januar 2017

Will der Arbeitgeber vorschreiben, wann und wie Beschäftigte ihre Arbeitsunfähigkeit nachweisen, hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Für die Betriebsvereinbarung ist dann der örtliche Betriebsrat zuständig. Das gilt auch in großen Unternehmen. Weshalb sich der Arbeitgeber nicht einfach an den Gesamtbetriebsrat wenden kann - selbst wenn nicht jede Filiale einen Betriebsrat hat.

Die Schwierigkeit mit der Zuständigkeit zwischen Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat

Streit besteht darüber, ob der Gesamtbetriebsrat für die Regelung von Nachweispflichten bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit zuständig ist.

Bundesweit betreibt der Arbeitgeber 72 Betriebe mit etwa 15.000 Beschäftigten. In 29 Betrieben wurde ein Betriebsrat gewählt. Diese haben einen Gesamtbetriebsrat errichtet.
Dieser vereinbarte mit dem Arbeitgeber eine Gesamtbetriebsvereinbarung, welche unter anderem die Nachweispflicht bei Krankheit durch ärztliches Attest ab dem ersten Krankheitstag regelt. Die Gesamtbetriebsvereinbarung erstreckt sich auf alle Betriebe mit Betriebsrat.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Fragen der Ordnung

Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.
§ 5 Absatz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) eröffnet dem Arbeitgeber die Befugnis vor dem vierten Krankheitstag ein ärztliches Attest zu verlangen. Tut er dies, so ist das betriebliche Ordnungsverhalten betroffen. Er will das »Ob« und das »Wie« des Nachweises regeln (Bundesarbeitsgericht (BAG) 25.01.2000, 1 ABR 3/99). Damit ist jeder Arbeitnehmer betroffen. Der Betriebsrat ist zwingend zu beteiligen.

Anders würde es sich verhalten, wenn nur im Einzelfall der Nachweis abweichend von § 5 EFZG von einem Arbeitnehmer begehrt würde (BAG 14.11.2012, 5 ABR 886/11).

Zuständigkeitsgerangel zwischen Gesamtbetriebsrat und örtlichem Betriebsrat

Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG steht ausschließlich dem Betriebsrat zu. Der Gesamtbetriebsrat ist nur nach § 50 BetrVG in überbetrieblichen Angelegenheiten zuständig. Diese müssen das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und eine Regelung durch die örtlichen Betriebsräte darf nicht möglich sein. Beide Voraussetzungen müssen vorliegen.

Dies kann bei einer technischen Notwendigkeit der Fall sein. Beispielsweise, wenn ohne eine einheitliche Regelung eine technisch untragbare Störung eintreten würde, die sich unangemessen betrieblich oder wirtschaftlich auswirken würde. Der Gesamtbetriebsrat kann dann auch Regelungen für Betriebe ohne örtlichen Betriebsrat treffen.

Der Wunsch nach Zweckmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit des Arbeitgebers ist nachvollziehbar, aber nicht entscheidend.

Praxistipp:Personelle Angelegenheiten obliegen immer dem Betriebsrat

Personelle Angelegenheiten, wie Versetzungen (§ 99 BetrVG) und Kündigungen (§ 102 BetrVG) obliegen immer dem Betriebsrat und nicht dem Gesamtbetriebsrat.
Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG, also das Aufstellen von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung von neuen Entlohnungsmethoden, kann beim Gesamtbetriebsrat angesiedelt werden. Dies, da es sich um ein unternehmenseinheitliches Vergütungssystem handelt. Zumal das Gebot der Gleichbehandlung zwingend zu beachten ist.

Streitigkeiten landen vor dem Arbeitsgericht

Streitigkeit über die Zuständigkeit zwischen Gesamtbetriebsrat und Betriebsrat werden im Wege des Beschlussverfahrens vor den Arbeitsgerichten ausgetragen.

Lesetipp:

Mehr zu den Zuständigkeiten von Betriebsräten lesen Sie im Beitrag »Wer zuständig ist« von Reinold Mittag in »Arbeitsrecht im Betrieb« 5/2015, S. 10-15 .

BAG, Beschluss vom 23.08.2016 – 1 ABR 43/14Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH
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