Betriebliche Altersversorgung

Anspruch auf Neuberechnung der Betriebsrente bleibt erhalten

14. Oktober 2020
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Quelle: © papalapapp / Foto Dollar Club

Räumt eine Betriebsvereinbarung einem Versorgungsempfänger einen Anspruch auf Neuberechnung seiner Betriebsrente ein, kann dieser Anspruch auch nach Jahrzehnten erhalten bleiben. Die Arbeitgeberin kann sich nicht auf Verwirkung berufen, weil die Versorgungszusage zwischenzeitlich durch eine neue abgelöst wurde – so das Bundesarbeitsgericht.

Darum geht es

Der Kläger war seit 1955 bei der Beklagten beschäftigt und schied mit Ablauf des 31. Dezember 2003 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Er bezieht seit dem 1. Januar 2004 eine Betriebsrente von seiner früheren Arbeitgeberin.

Die betriebliche Altersversorgung bei der Arbeitgeberin war seit dem Jahr 1979 durch eine Betriebsvereinbarung (BV 1979) geregelt. Die Vereinbarung bewertete jedes Dienstjahr der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit mit 0,4 % des Arbeitseinkommens. Die BV 1979 wurde zum 1.1.1988 durch eine weitere Betriebsvereinbarung (BV 1988) geändert. Ab diesem Zeitpunkt wurde jedes Dienstjahr der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit nach Inkrafttreten der BV 1988 mit 0,2 % des Arbeitseinkommens bewertet.

Der Rentner verlangt die Zahlung einer höheren Ausgangsbetriebsrente. Die Halbierung der künftigen Steigerungsbeträge durch die BV 1988 sei unzulässig. Die frühere Arbeitgeberin verweist demgegenüber auf ihre damalige wirtschaftliche Lage. Zudem beruft sie sich auf Verwirkung: Ein mögliches Recht des Klägers auf Neuberechnung seiner Ausgangsrente sei zudem verwirkt. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen (LAG Saarland 13.11.2019 - 1 Sa 1/19).
 

Das sagt das Gericht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ließ die Revision des Rentners zu. Das LAG Saarland muss sich erneut mit dem Anspruch des Rentners beschäftigen. Der frühere Arbeitgeber könne gegen den Anspruch eines Versorgungsempfängers auf richtige Berechnung seiner Ausgangsrente nicht den Einwand der Verwirkung erheben.

Verwirkung bedeutet, dass sich jemand nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mehr auf ein Recht berufen kann, wenn der andere Teil darauf vertrauen durfte, dass derjenige das Recht nicht mehr ausübt.

Der Kläger verfolge ein Recht, dass ihm durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumt wurde, hier die BV 1979. Für Rechte aus einer Betriebsvereinbarung ist eine Verwirkung von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Das regelt § 77 Abs. 4 Satz 3 BetrVG.

Ob die Klage begründet ist, konnte das BAG nicht selbst entscheiden, da das BAG als Revisionsgericht keine Tatsachen ermittelt. Das LAG Saarland hatte im ersten Verfahren nicht geprüft, ob die BV 1979 tatsächlich von der BV 1988 abgelöst wurde, wie der Arbeitgeber behauptet, sondern den Anspruch des Klägers nur wegen Verwirkung abgewiesen. Diese Fragen wir das LAG Saarland dann in einem neuen Verfahren klären müssen.

Hinweis für die Praxis

Die Überprüfung kann sich für den Kläger lohnen. Denn das BAG hatte die Revision zugelassen, soweit der Kläger eine um 119,12 Euro brutto höhere Ausgangsrente geltend macht. Ob sie ihm tatsächlich zusteht, muss das LAG Saarland nun in einem neuen Verfahren ermitteln. Viele Unternehmen ändern ihre Versorgungsordnungen im Laufe der Jahrzehnte und kürzen ihre Zusagen unter Verweis auf die veränderte wirtschaftliche Lage. Daher ist es wichtig, dass das BAG klarstellt, dass Rechte aus Betriebsvereinbarungen nicht der Verwirkung unterliegen, wie es im Gesetz (§ 77 Abs. 4 BetrVG) geregelt ist.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (13.10.2020)
Aktenzeichen 3 AZR 246/20
BAG, Pressemitteilung vom 13.10.2020
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