Ausbildung

Arbeitgeber hat kein allgemeines Fragerecht nach Vorstrafen

28. Mai 2020
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Quelle: Wolfilser_Dollarphotoclub

Der Arbeitgeber darf Auszubildende bei der Einstellung nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren fragen, die für den zu besetzenden Arbeitsplatz relevant sein können - aber nicht pauschal nach allen Verfahren. Eine zu weitgehende Frage muss der Bewerber nicht wahrheitsgemäß beantworten - so das Arbeitsgericht Bonn. 

Darum geht es

Der Auszubildende absolviert seit seit dem 01.08.2018 ein Ausbildungsverhältnis zur Fachkraft für Lagerlogistik. Im Rahmen seiner Tätigkeit hat er Zugriff auf verschiedene hochwertige Vermögensgüter seines Ausbildungsbetriebs. 

Bei seiner Enstellung verschwieg er, dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen Raubes anhängig war und die Hauptverhandlung eröffnet werden sollte. In einem Personalfragebogen, den er bei der Einstellung ausfüllte, gab er bei der Frage nach »Gerichtlichen Verurteilungen / schwebenden Verfahren« die Antwort »Nein« an. 

Erst im Juli 2019 wandte sich der Auszubildende an seinen Vorgesetzten und teilte ihm mit, dass er eine Haftstrafe antreten müsse. Er benötige eine Erklärung, dass er seine Ausbildung während seines Freigangs fortführen könne. Die Arbeitgeberin erklärte daraufhin mit Schreiben vom 20.11.2019, dass sie den Ausbildungsvertrag »wegen arglistiger Täuschung« anfechtet.

Das sagt das Gericht

Das Arbeitsgericht (ArbG) Bonn gab dem Auszubildenden Recht. Die Arbeitgeberin konnte den Ausbildungsvertrag des Klägers nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten. Grundsätzlich sei der Arbeitgeber im Einstellungsverfahren berechtigt, bei dem Bewerber Informationen zu Vorstrafen einzuholen - allerdings nur, wenn und soweit sie für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes relevant seien. 

Bei einer Bewerbung um ein öffentliches Amt - auch um eine Ausbildung im öffentlichen Dienst - dürfe sich der Arbeitgeber nach anhängigen Straf- und Ermittlungsverfahren erkundigen, wenn diese »Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers« für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen können. 

Auf zu weitgehende Fragen darf man lügen 

Die Frage nach gerichtlichen Verurteilungen und schwebenden Verfahren ist allerdings unzulässig, wenn sie bei einer Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers zu weitgehend ist. Dann ist der Bewerber nicht verpflichtet, die Frage wahrheitsgemäß zu beantworten - so das ArbG Bonn. 

Die von der Arbeitgeberin im Rahmen des Personalblattes gestellte unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren jedweder Art sei bei einer Bewerbung um eine Ausbildungsstelle als Fachkraft für Lagerlogistik zu weitgehend und damit unzulässig, befanden die Richter. 

Es vermöge nicht jede denkbare Straftat Zweifel an der Eignung für die Ausbildung zu begründen. Dies gelte auch dann, wenn die Ausbildung durch einen öffentlichen Arbeitgeber erfolgen soll. Damit aber war die Arbeitgeberin nicht berechtigt, den Ausbildungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

ArbG Bonn (20.05.2020)
Aktenzeichen 5 Ca 83/20
ArbG Bonn, Pressemitteilung vom 26.5.2020
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