Arbeitsschutz, Corona

Mitbestimmung bei Corona-Maßnahmen

16. November 2020
Dollarphotoclub_49975855_160503
Quelle: © Monkey Business / Foto Dollar Club

Auch in Zeiten der Pandemie ist der Personalrat das zentrale Organ der Mitbestimmung. Die Dienststelle darf seine Mitbestimmungsrechte nicht ignorieren. Gemeinsam festgelegte Schutzmaßnahmen darf sie daher nicht einseitig ändern und umsetzen, bevor die Zustimmungsfrist abgelafen ist, ohne das der Personalrat zugestimmt hat - so eine Entscheidung des VG Berlin.

Das war der Fall

Im März 2020 beschlossen Personalrat und Dienststelle gemeinsam »Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2« für die Dienststelle. Im Kern ging es unter anderem darum, dass in der Dienststelle anwesende Personal grundsätzlich auf 20 % zu reduzieren.

Am 16. April 2020 legte die Dienststelle dem Personalrat eine geänderte Fassung der ursprünglichen »Eindämmungsmaßnahmen« zur Zustimmung vor. Diese zweite Fassung erhöhte u.a. die Personalstärk wieder, sodass statt 20 % nun wieder bis zu 50 % des Personals gleichzeitig in der Dienststelle sein konnten. Die Dienststelle setzte die geänderten Maßnahmen bereits 4 Tage später am 20. April 2020 in Kraft. Der Personalrat lehnte die Zustimmung zur geänderten Fassung aber schriftlich und mit Begründung ab.

Der Personalrat ist der Ansicht, dass die Dienststelle seine Mitbestimmungsrechte aus § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 PersVG Berlin verletzt hat. Denn sie hat die geänderte Fassung der »Eindämmungsmaßnahmen« ohne seine Zustimmung umgesetzt, obwohl diese der Mitbestimmung unterlagen.

Die Dienststelle war der Ansicht, dass die geänderten »Eindämmungsmaßnahmen« vor allem den Dienstbetrieb normalisieren sollten. Ein Mitbestimmungsrecht habe hierfür nicht bestanden.

Das sagt das Gericht

Das VG Berlin gab dem Personalrat überwiegend Recht.

Es stellte zunächst einmal grundlegend fest, dass die Dienststelle die Mitbestimmungsrechte des Personalrats verletzt, wenn sie mitbestimmungspflichtige Maßnahmen bereits vor Ablauf der zweiwöchigen Zustimmungsverweigerungsfrist (§ 79 Abs. 2 PersVG Berlin) umsetzt, ohne dass der Personalrat zugestimmt hat.

Bei der Mitbestimmungspflicht hinsichtlich der einzelnen Eindämmungsmaßnahmen kommt das Gericht aber zu unterschiedlichen Ergebnissen.

So sei zunächst die Regelung zur Erhöhung der Personalstärke auf 50% nicht mitbestimmungspflichtig – weder nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 noch nach Nr. 7 PersVG Berlin. Die Nr. 6 betreffe nur Maßnahmen zum Ordnungsverhalten in der Dienststelle. Davon abzugrenzen ist das Arbeitsverhalten, das nicht der Mitbestimmung unterliegt. Und dazu gehöre die Regelung über die Personalstärke, denn sie betreffe vor allem die zu erbringenden Arbeitsleistung. Auch eine Mitbestimmung nach Nr. 7 liege nicht vor. Denn die Erhöhung der Personalstärke sei keine Maßnahme zur Verhütung von Gesundheitsschädigungen, sondern diene der Normalisierung des Dienstbetriebes und der Annäherung an den früheren Arbeitsmodus.

Ein Mitbestimmungsrecht nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 PersVG hätte dem Personalrat aber bei folgenden »Eindämmungsmaßnahmen« zugestanden:

  • gründliches Lüften beim Schichtwechsel
  • bevorzugte Genehmigung von Homeoffice für Beschäftigte, die von Kita- und Schulschließungen betroffen sind
  • bevorzugte Genehmigung von Homeoffice für Beschäftigte, die ein höheres Infektionsrisiko aufweisen
  • für Sprechstunden, Beratungstermine, Einzelunterricht gilt: soweit möglich sind die genutzten Räume mit technischen Lösungen (Abstand oder Spuckschutz) auszustatten, ansonsten ist das Infektionsrisiko durch Tragen von Mund-Nasen-Schutz und Händewaschen oder -desinfektion zu reduzieren
  • Beschäftigte sollen in Räumen oder Kraftfahrzeugen, in denen kein Sicherheitsabstand (1,5 m) möglich ist, das Infektionsrisiko durch Tragen von Mund-Nasen-Schutz und Händewaschen oder -desinfektion reduzieren

Und indem die Dienststelle diese mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen vor Fristablauf und ohne Zustimmung des Personalrats umsetzte, verletzte sie seine Mitbestimmungsrechte aus § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 PersVG.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie

Natürlich stehen die Dienststellen zurzeit ganz besonderen Herausforderungen in Sachen Sicherheit und Hygiene gegenüber. Auch die aktuelle »Zweite Welle« macht es natürlich nicht einfacher. Dann sind Maßnahmen zum Gesundheitsschutz oder zur Ordnung in der Dienststelle festzulegen oder eben auch anzupassen. Trotzdem: Die Dienststelle darf keine »Schnellschüsse« ohne den Personalrat durchführen – und sie darf auch die entsprechenden gesetzlichen Fristen nicht ignorieren. Achten Sie also auch in Zeiten von Corona ganz besonders auf die Wahrung Ihrer Mitbestimmungsrechte! Das ist auch ein wichtiges Signal und ein stabilisierender Faktor für die Beschäftigten.

© bund-verlag.de (fk)

Quelle

VG Berlin
Aktenzeichen 18.09.2020
62 K 6/20 PVL
Newsletter 2024 viertel - Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren