Kündigung nach Sitzstreik im Chefbüro
Die Klägerin war seit 1992 bei der Beklagten beschäftigt. Sie war zuletzt Leiterin einer Abteilung mit 300 Mitarbeitern. Sie wurde nach Tarif bezahlt und war in die höchste Entgeltgruppe des Tarifvertrags eingruppiert. Sie begehrte allerdings eine höhere außertarifliche Vergütung.
Nach längeren Verhandlungen hatte sie ein Gespräch mit ihren Vorgesetzten, darunter dem Leiter der Niederlassung ihres Unternehmens. Dieser wies ihre Forderung erneut zurück und forderte sie anschließend auf, sein Büro zu verlassen. Die Klägerin weigerte sich und teilte ihrem Chef mit, sie werde erst dann gehen, wenn er ihre Forderung erfüllt habe. Auch ein Hinweis auf das Hausrecht und eine gesetzte Frist änderten daran nichts.
Nachdem ihr Vorgesetzter sein Büro geräumt hatte, schlug sie auch Vermittlungsangebote von dritter Seite aus. Weder ihr Ehemann noch der Betriebsrat konnten sie zum Verlassen des Raumes bewegen. Die Klägerin verließ das Büro und den Betrieb erst knapp drei Stunden nach Beginn ihres Sitzstreiks in Polizeibegleitung.
Am nächsten Tag versandte die Klägerin eine E-Mail. Darin nahm sie zu dem Vorfall nicht Stellung. Sie äußerte aber Kritik am Verhalten des Niederlassungsleiters mit den Worten »Wer solche Vorgesetzte hat, benötigt keine Feinde mehr«. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise mit ordentlicher Kündigungsfrist.
Ihre Kündigungsschutzklage hatte vor dem Landesarbeitsgericht nur hinsichtlich der fristlosen Kündigung Erfolg. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei wirksam, befand das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein.
Die Klägerin habe eine »besonders schwere Pflichtverletzung« begangen, entschied das LAG. Die im Rahmen der Kündigung vorzunehmende Interessenabwägung falle zu ihren Ungunsten aus. Sie habe weder auf die Deeskalationsversuche durch ihren Ehemann und den Betriebsrat noch auf die Kündigungsdrohung durch ihren Arbeitgeber reagiert.
Da sie leitende Angestellte sei und als Vorgesetzte eine Vorbildfunktion für die ihre Mitarbeiter habe, wiege ihr Verhalten auch besonders schwer. Weiter habe sie in der E-Mail an Mitarbeiter und Geschäftspartner den Sachverhalt bewußt lückenhaft dargestellt und falsche Anschuldigungen gegen ihren Vorgesetzten erhoben.
Daher wäre eine Abmahnung durch den Arbeitgeber nicht ausreichend gewesen, um das notwendige Vertrauen wieder herzustellen. Zu ihren Gunsten seien aber alle Umstände des Einzelfalls abzuwägen, zu denen auch ihre 22 Jahre dauernde beanstandungsfreien Tätigkeit im Unternehmen zählt. Daher hielt das LAG lediglich eine ordentliche und keine fristlose Kündigung für gerechtfertigt.
Quelle:
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.5.2015
Aktenzeichen 3 Sa 354/14
LAG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung Nr. 4/15 vom 3.6.2015
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