Arbeitsentgelt

Anwesenheit im Mindestlohn inklusive

01. Februar 2017

Eine tarifliche Prämie für die Anwesenheit im Betrieb, die den Stundenlohn erhöht und bei Fehlzeiten gekürzt wird, zählt zum Arbeitslohn. Der Arbeitgeber kann sie auf den Mindestlohn anrechnen. Ein zusätzlicher Anspruch besteht nicht, denn das Erscheinen und Tätigwerden am Arbeitsplatz ist mit dem Mindestlohn abgegolten.

In einem fischverarbeitenden Unternehmen hat sich der Arbeitgeber im Jahr 2013 mit der zuständigen Gewerkschaft auf einen Haustarifvertrag zur Bestimmung der Arbeitslöhne geeinigt. In den insgesamt zwölf Lohngruppen wurde zusätzlich zu dem Stundenlohn eine Anwesenheitsprämie vereinbart, die dann fällig wurde, wenn die Beschäftigten nicht krankheitsbedingt ausfielen. Für den klagenden Arbeitnehmer ergab sich ab Januar 2015 ein Lohnanspruch von 8,34 Euro sowie eine zusätzliche Anwesenheitsprämie von 0,37 Euro pro Stunde.

Anwesenheitsprämie geht in Mindestlohn auf

Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns teilte der Arbeitgeber den Beschäftigten mit, dass damit die Zahlung der Prämie entweder ganz entfällt oder teilweise auf den erhöhten Stundenlohn angerechnet wird. In der Folge zahlte der Arbeitgeber in den Monaten Januar und Februar für jede geleistete Arbeitsstunde den Mindestlohn von 8,50 Euro aus und kürzte gleichzeitig die Anwesenheitsprämie. Mit dieser Anrechnung war der Kläger nicht einverstanden. Er forderte vom Arbeitgeber für jede Arbeitsstunde den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro und zusätzlich die volle Anwesenheitsprämie von 0,37 Euro.

Anrechenbarer Lohnbestandteil

Das Gericht entschied, dass der klagende Arbeitnehmer nicht die volle Anwesenheitsprämie verlangen könne. Zwar habe er seit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 01.01.2015 einen unabdingbaren Anspruch von 8,50 Euro Stundenlohn. Allerdings werde ein Teil der Anwesenheitsprämie (genau 0,16 Euro) zum Tariflohn von 8,34 Euro auf den erhöhten Stundenlohn angerechnet. Damit könne der Arbeitnehmer nur noch die verbleibenden 0,21 Euro pro Stunde als Prämie verlangen.

Prämie nur dem Namen nach

Begründet hat das Gericht seine Entscheidung damit, dass mit der tarifvertraglich vereinbarten Zusatzleistung die Arbeitnehmer dazu angehalten werden sollen, Fehlzeiten soweit wie möglich zu verringern. Die damit verbundenen Ablaufstörungen im Betrieb sollen damit verringert werden. Also werde mit der Anwesenheitsprämie die tatsächliche Arbeitsleistung honoriert und ist damit Bestandteil des Arbeitsentgelts. Der gleiche Zweck werde durch den gesetzlichen Mindestlohn verfolgt.

Praxistipp:

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) zum 01.01.2015 haben sich die Arbeitsgerichte regelmäßig damit beschäftigt, ob zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers auf die Mindestvergütung von aktuell 8,84 € (seit 01.01.2017) angerechnet werden können. Dabei kommt es entscheidend darauf an, welcher Zweck mit einem Zuschlag, Prämie oder Sonderleistung verfolgt wird.

Anrechenbar: Lohn für die Arbeitsleistung

Sämtliche Zahlungen, die eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeit darstellen, erfüllen den gleichen Zweck wie der gesetzliche Mindestlohn. Dazu soll nach Ansicht des Gerichts auch eine Prämie gehören, die der Vermeidung von Fehlzeiten gilt. Dies sei Bestandteil der herkömmlichen Arbeitsleistung.

Nicht anrechenbar: Zuschläge mit eigenem Zweck

Verspricht hingegen der Arbeitgeber eine Vergütung unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht auch tatsächlich erfüllt hat, besteht ein zusätzlicher Anspruch in voller Höhe. Dies betrifft z.B. das Weihnachtsgeld oder vermögenswirksame Leistungen. Aber auch Zuschläge, die auf einer besonderen gesetzlichen Regelung beruhen, können nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Insbesondere Nacht- oder Erschwerniszuschläge (§ 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz - ArbZG) sollen die besondere Arbeitsbelastung ausgleichen.

In Betriebsvereinbarungen ist daher darauf zu achten, den mit einer Zusatzzahlung verfolgte Zweck möglichst konkret zu benennen, damit später die Zuschläge nicht abschmelzen. Auch kann es sinnvoll sein, den Beschäftigten eine sich wiederholende Einmalzahlung zukommen lassen. Diese steht dann eigenständig ohne Anknüpfung an geleistete Arbeitsstunden.

Lesetipp:

»Wer wird wie bezahlt?« von Schulze/Ratzesberger in AiB 6/2016, S. 14-17.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, 22.11.2016 - 5 Sa 298/15Jens Pfanne, DGB Rechtsschutz GmbH
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