Arbeitsschutz

Gefährdungsbeurteilung bei der Einführung einer IT-App

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Quelle: pixabay

Kann der Betriebsrat eine Gefährdungsbeurteilung verlangen, wenn der Arbeitgeber eine IT-App einführt? Ja – sagt das Gericht, denn die Arbeitsabläufe für die Belegschaft ändern sich. Der Arbeitsschutz könnte betroffen sein - so nun das LAG Berlin-Brandenburg in einer interessanten Entscheidung.

Das war der Fall

Der Arbeitgeber ist Einzelhandelsunternehmen mit bundesweiten Filialen. Er führt ein neues Warenmanagementsystem ein. Dabei erhalten die Waren einen RFID-Mikrochip, dessen Daten mit einem speziellen Lesegerät gescannt und über eine sogenannte Clarity-App verarbeitet werden.

Der örtliche Betriebsrat einer Filiale in einem Berliner Einkaufszentrum meldet Bedenken an, da das Einführen der App die Arbeitsabläufe der Beschäftigten verändert und dadurch deren Gesundheit gefährden könnte. Der Betriebsrat verlangt daher eine Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG. Der Arbeitgeber verweigert sich. Das Arbeitsgericht lehnte den Antrag des Betriebsrats ab, da es an einem ausreichenden Rechtsschutzbedürfnis mangle.

Das sagt das Gericht

Das LAG gibt dem Betriebsrat Recht und setzt die von ihm beantragte Einigungsstelle (§ 100 ArbGG) ein. Durch die Einführung der App ändern sich die Arbeitsabläufe der Belegschaft, daher könnte – so das Gericht vorsichtig – der Arbeitsschutz betroffen sein. In dem Fall müsse eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG durchgeführt und der Betriebsrat dabei beteiligt werden. Weitere Details müsse allerdings die Einigungsstelle prüfen und klären.

Ob es sich bei der App um ein Arbeitsmittel im Sinne der §§ 2, 3 BetrSichV handelt oder um einen Aspekt aus der „Insbesondere-Aufzählung“ des § 5 Abs. 3 ArbSchG, ob es sich um eine abgrenzbare oder nur im Zusammenhang mit weiteren Aspekten zu beurteilende Angelegenheit handelt, habe die Einigungsstelle jedenfalls vor einer streitigen Entscheidung im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung zu beurteilen.

Ein wichtiger Punkt zuletzt: Die Zuständigkeit der Gremien für die Einführung der "technischen Einrichtung" (hier: Gesamtbetriebsrat) und für die Verhandlungen zur anlassbezogenen Gefährdungsbeurteilung (hier: örtlicher Betriebsrat) fällt nach dem zitierten Beschluss auseinander. Ob das sinnvoll ist, bleibt fraglich.

Das gilt für die Praxis

Angesichts der massiven Veränderungen, die die Digitalisierung in Betrieben mit sich bringt, ist die Entscheidung von Bedeutung. Denn sie zeigt, dass IT und Gefährdungsbeurteilung durchaus zusammengehören. Der Betriebsrat hat daher nicht nur über § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, sondern sogar auch über Nr. 7 (Gesundheit) Mitbestimmungsrechte bei IT-Themen. Das ist gut so, sind die Auswirkungen auf die Gesundheit der Belegschaft durch die Digitalisierung doch durchaus nicht zu unterschätzen.

© bund-verlag,de (fro)

Quelle

LAG Berlin-Brandenburg (27.07.2023)
Aktenzeichen 10 TaBV 355/23
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