Bewerbung Deutscher Personalräte-Preis 2019

Projekt:

Dienstvereinbarung Mitarbeiterdatenschutz „BodyCam“ bei der Bundespolizei      

Bewerber/in:

Bundespolizeihauptpersonalrat beim Bundesministerium des Innern

Beschäftigtenzahl:

über 1000

Projektzeit:

11/2017 bis 2/2019

 

Kurzbeschreibung

Eine Dienstvereinbarung schützt Mitarbeiterrechte bei der Nutzung einer BodyCam

Motiv

Derzeit hat die Bundespolizei rund 41000 Beschäftigte, von denen mehr als 30000 Polizeivollzugsbeamte sind. Laut § 27a BPolG (Mobile Bild- und Tonaufzeichnungen) kann die Bundespolizei „an öffentlich zugänglichen Orten personenbezogene Daten durch die offene Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen mittels körpernah getragener Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte erheben (...)“. Im November 2017 wurde der Hauptpersonalrat (BHPR) vom Bundesministerium des Inneren (BMI) darüber informiert, dass die BodyCam Si500 angeschafft werden soll. Der BHPR forderte das BMI auf, ein Einführungskonzept vorzulegen. Im Dezember 2017 erhielt der BHPR das Konzept zur Einführung einer Bodycam, die aber nicht die Persönlichkeitsrechte der Beamten schützte: die Si500 wurde weder von der deutschen noch von der europäischen Polizei erprobt und ist dort auch nicht im Einsatz; beim Trageversuch und dem allgemeinen Probelauf von BodyCams wurde dieses Gerät auch nicht für Tests eingesetzt. Es fehlte damit an Erfahrungswerten, wie das Gerät in der Praxis funktioniert, wie funktionssicher es ist bei Eingriffsmaßnahmen und körperlicher Auseinandersetzung, es ist unklar, ob gelöschtes Material tatsächlich gelöscht ist, ob die Funktionsfähigkeit des Geräts durch das Wetter beeinflusst wird. Da es sich aber um ein personenbezogenes Arbeitsmittel handelt, muss das Gerät auch den arbeitsmedizinischen Anforderungen entsprechen, was bei dem Konzept nicht gewährleistet ist. Daneben fehlt es an einem rechtssicheren Handeln der Einsatzkräfte sowohl nach außen im Zug der Gefahrenabwehr als auch bzgl. der Betroffenheit der Beamten und ihrer Persönlichkeitsrechte selbst, soweit von den Mitarbeitern Bild- und Sprachaufzeichnungen angefertigt werden. Die in dem Konzept erwähnte „Dienstanweisung“, in der die Datenverarbeitung, Speicherung und Übermittlung geregelt sein soll, lag beim Konzept noch nicht vor. Ebenso fehlt es an einem klaren Rollen- und Berechtigungskonzept i.S.v. § 9 BDSG. Da es hierzu keine Regelung gibt, sind die Eingriffsmöglichkeiten in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter nicht geklärt. Es fehlten auch klare Vereinbarungen zum Mitarbeiterdatenschutz: Es war nicht auszuschließen, dass die durch die BodyCam gefertigten Bild- und Tonaufnahmen von Mitarbeitern auch für Zwecke verwendet werden können, die nicht mit der polizeirechtlichen Frage des § 27a BPolG verknüpft sind. So könnte die Gefahr bestehen, dass ein Erst- oder Zweitbeurteiler Einsicht in die Bild- und Tonaufnahme nimmt, um das Verhalten eines Mitarbeiters in Einsatzsituationen des Streifendiensts zu überprüfen, was eine Leistungskontrolle wäre. Es könnten auch Verstöße gegen die Kleiderordnung durch eine BodyCam-Aufnahme dokumentiert und als Grundlage für eine Disziplinarmaßnahme genommen werden. Zugriffsrechte, Speicherungsmöglichkeiten und Nutzungsgebote müssen daher jegliche Nutzung für innerdienstliche Zwecke ausschließen. Der BHPR fordert ein Verfahren der Zugriffshierarchie, um eine solche Nutzung auszuschließen. In dem Konzept fehlt auch jeder Hinweis auf die Fortbildung der Mitarbeiter. Der BHPR lehnte die Einführung der Si500 ab. Die Einführung der Si500 sei nur möglich, wenn die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter größtmöglich geschützt sind.

Vorgehen

Anfang Januar 2018 erhielt der BHRP ein Fachkonzept Si500 einschließlich der Dienstanweisung und Dokumente zur Datensicherheit vom BMI, eine Woche später wurde am Berliner Hauptbahnhof der bei der Bundespolizei damals dort stattfindende Probelauf von BodyCams um einen Probelauf mit der Kamera Si500 für zunächst drei Monate erweitert. Im Februar 2018 gab es eine gemeinsame Arbeitsgruppensitzung im BMI mit Vertretern der Bundespolizei in Form eines Workshops, in dem das weitere gemeinsame Vorgehen besprochen wurde, so auch der Abschluss einer Dienstvereinbarung. Ende Februar 2018 folgte ein weiteres Gespräch, in dem sich die Parteien darauf einigten, dass die Erprobung auf die weiteren ursprünglichen Einsatzerprobungsdienststellen ausgeweitet werden soll, im März 2018 gab es einen 2. Workshop vom BHPR und dem BMI. Hier forderte der BHPR u.a., dass die Mitarbeiter die Möglichkeit bekommen sollen, das Pre-Recording (die Bodycams dürfen im Bereitschaftsbetrieb in ihrem Zwischenspeicher kurzzeitig Daten über einen Zeitraum von 30 Sekunden erfassen) abzuschalten. Das Pre-Recording soll durch den Nutzer aktiviert und deaktiviert werden können, was vor allem bei nichtöffentlichen Räumen von Bedeutung ist. Im April 2018 folgte der 3. Workshop, in dem der BHPR dem BMI den Entwurf einer Dienstvereinbarung vorlegte.

Auf diesen reagierte das BMI nicht. Über mehrere Monate fragte der BHPR beim BMI nach, wie die Situation zur Dienstvereinbarung sei, stellte schließlich im September 2018 einen Initiativantrag, eine Dienstvereinbarung abzuschließen; das BMI reagierte wieder nicht. Der BHPR schickte daher Mitte November 2018 ein Erinnerungsschreiben an den BMI: Die Probe-Polizeiinspektionen dürften mit der Si500 nicht weiter ausgestattet werden, da beim BHPR kein Antrag auf Verlängerung des Probelaufs vorliegt. Darüber hinaus fehle es an den Verarbeitungsübersichten gem. Art 3 EU-DSGVO sowie an der dazugehörigen Datenschutz-Folgenabschätzung. Der BHPR verwies auch darauf, dass er die Einigungsstelle anrufen würde, wenn es zeitnah keine Einigung zur Dienstvereinbarung geben würde. Im Dezember 2018 erhielt der BHPR einen Entwurf einer Dienstvereinbarung, die allerdings keine Punkte des Entwurfs der BHPR enthielt. Im Januar 2019 folgte ein Erörterungsgespräch zur Erarbeitung einer Dienstvereinbarung BodyCam, Ende Januar 2019 übersandte das BMI den gemeinsam erarbeiteten Entwurf einer Dienstvereinbarung, worüber der BHPR Anfang Februar 2019 abstimmte.

Ergebnis

Am 15.2.2019 unterzeichneten die Parteien die Dienstvereinbarung. In dieser ist die vom BHPR gewünschte Rechts- und Verhaltenssicherheit festgeschrieben: Mitarbeiter können die Aufnahmedateien in einem Quarantänebereich speichern, der vor dem Zugriff Dritter geschützt ist; Daten dürfen nicht zur Verhaltensüberwachung oder zur Leistungskontrolle durch Vorgesetzte genutzt werden, ebenso nicht für verwaltungsinterne Ermittlungen. Der Datenbestand darf nicht nach biometrischen Gesichtspunkten untersucht werden dürfen, werden Videoaufzeichnungen an Dritte herausgegeben, müssen die Daten anonymisiert werden (Gesichter und Sprache dürfen nicht auf die Person rückschließen lassen).