Teilhabe

Keine behinderungsbedingte Arbeitsassistenz für Abgeordnete

26. Juli 2024 Teilhabe, Inklusion
Bremen Bremische Bürgerschaft Marktplatz Hansestadt Bremen

Abgeordnete haben keinen Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz, auch wenn sie als Rollstuhlfahrer unstreitig Hilfe bei der Arbeit benötigen. Ein Abgeordnetenmandat sei keine Arbeits- oder Berufstätigkeit, sondern unterbreche das Berufsleben - so das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen.

Darum geht es

Zugrunde lag das Eilverfahren eines Bremers, der bis Mitte 2023 bei einem privaten Verein angestellt war. Für seine dortige Tätigkeit erhielt er als Rollstuhlfahrer eine Arbeitsassistenz von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Bei der Wahl am 14.5.2023 wurde er Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft, dem Landtag des Bundeslandes Bremen.

In der Folge lehnte die BA die weitere Förderung der Arbeitsassistenz ab. Die Förderung setze einen »Arbeitsplatz« im Rechtssinne voraus. Die Tätigkeit als Abgeordneter sei aber weder ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, noch eine selbständige Tätigkeit – und damit kein Arbeitsplatz.

Hiergegen wandte sich der Mann mit einem gerichtlichen Eilantrag. Er verwies auf seinen unstreitigen Unterstützungsbedarf und meinte, dass er entweder als Beschäftigter gelten könne, da er eine Abgeordnetenentschädigung erhalte, oder als Selbständiger, da er nur seinem Gewissen unterworfen sei.

Das sagt das Gericht

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Rechtsauffassung der BA bestätigt. Die Tätigkeit als Abgeordneter ist aufgrund ihrer statusrechtlichen Besonderheiten nicht als Arbeits- oder Berufstätigkeit im Sinne von § 185 Abs. 5 SGB IX zu qualifizieren. Dementsprechend ist die Abgeordnetenentschädigung kein Arbeitseinkommen. 

Ein Abgeordneter sei vom Vertrauen der Wähler berufen und schulde keine Dienste. Die Mandatszeit bedeute meistens eine vorübergehende Unterbrechung des Berufslebens, da sie regelhaft einen atypischen Abschnitt außerhalb der bisherigen und künftigen Berufslaufbahn darstelle. Insgesamt seien die begehrten Leistungen nicht im Leistungssystem der Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen, sondern parlaments- bzw. abgeordnetenrechtlich zu regeln.

Hintergrund und Folgen

Zum Verständnis des Falles gehört, dass von den deutschen Bundesländern die Stadtstaaten Hamburg und Bremen so genannte Feierabend- oder Teilzeitparlamente haben. Die Sitzungstermine und -Perioden sind in der Regel darauf angepasst, dass Abgeordnete noch einem Beruf nachgehen können, dafür fallen die Abgeordneten-Bezüge (oft "Diäten" genannt) deutlich niedriger aus als bei Abgeordneten in Vollzeitparlamenten. Das Berliner Abgeordnetenhaus war bis 31.12.2019 ein Teilzeitparlament.

Zudem gibt es mit Bremen und dem Saarland zwei Bundesländer, die ihren Landtags-Abgeordneten kein Personal stellen. Zum Vergleich: Abgeordneten im Deutschen Bundestag steht eine Mitarbeiterpauschale von 25.874 Euro im Monat zu - bis zu diesem Betrag bezahlt die Bundestagsverwaltung die "persönlichen Angestellten" der Abgeordneten.

Die Bremer Bürgerschaft hat die Anregung des Landessozialgerichts in diesem Verfahren schnell aufgegriffen. Im März 2024 wurde das Bremer Abgeordnetengesetz um einen neuen Paragrafen 10a erweitert. Abgeordneten mit Behinderung kann nun der Landtagspräsident in Abstimmung mit dem zuständigen Integrationsamt die nötigen Hilfen und ggf. auch eine Arbeitsassistenz stellen.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

LSG Niedersachsen-Bremen (03.01.2024)
Aktenzeichen L 11 AL 67/23 B ER
LSG Niedersachsen-Bremen, Pressemitteilung vom 15.1.2024
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