Arbeitszeit

Kinderbetreuung: Kein Anspruch auf günstige Schichten

18. Oktober 2023
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Quelle: © Gerhard Bittner / Foto Dollar Club

Eine alleinerziehende Arbeitnehmerin in einer Bäckerei kann von ihrem Arbeitgeber nicht verlangen, sie nur noch nach den Öffnungszeiten der Kita ihrer Kinder einzuteilen, also ohne Früh- oder Spätschicht und Samstagsarbeit. Beim Schichtplan muss der Arbeitgeber die Interessen aller Beschäftigten berücksichtigen – so das LAG Mecklenburg-Vorpommern.

Das war der Fall

Eine Arbeitnehmerin arbeitete als Verkäuferin in einer Bäckerei. Nach ihrem Arbeitsvertrag betrug die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden und enthielt die Verpflichtung, Sonntags-, Feiertags- und Mehrarbeit zu leisten. Im Betrieb galt ein 3-Schicht-Modell.

Im Juli 2020 bekam die Arbeitnehmerin Zwillinge. Bis Juli 2021 befand sie sich in Elternzeit und war danach zunächst arbeitsunfähig. Im Dezember 2021 beantragte sie, ihre Arbeitszeit auf 35 Stunden zu reduzieren und nur noch an den Wochentagen von 7:40 Uhr bis 16:40 Uhr und nicht mehr samstags eingesetzt zu werden. Als alleinerziehende Mutter könne sie sonst ihren Betreuungspflichten nicht nachkommen, da die Kindertagesstätte zu anderen Zeiten nicht geöffnet habe.

Der Arbeitgeber stimmte der Reduzierung der Arbeitszeit zu, kam jedoch nicht dem Wunsch der Arbeitnehmerin nach, sie von der Früh- und Spätschicht sowie der Samstagsarbeit zu befreien. Denn auch die anderen Mitarbeiterinnen hätten kleine Kinder zu betreuen.

Die Arbeitnehmerin klagte daraufhin vor dem Amtsgericht Schwerin. Dieses hat die Klage abgewiesen.

Das sagt das Gericht

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat die Berufung der Arbeitnehmerin ebenfalls zurückgewiesen. Zwar muss der Arbeitgeber bei der Schichtverteilung auch auf die Kinderbetreuungspflichten der Arbeitnehmerin Rücksicht nehmen, allerdings nur sofern keine betrieblichen Gründe entgegenstehen (§ 8 Abs. 4 TzBfG).

Die Prüfung der betrieblichen Gründe erfolgt nach dem LAG in drei Stufen:

  1. Liegt ein betriebliches Organisationskonzept vor?

    Ja, u.a. die Öffnungszeiten, das Kundenaufkommen und das rollierende Schichtsystem der Bäckereifiliale.
     
  2. Inwieweit steht die aus dem Organisationskonzept folgende Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen entgegen?

    Der Wunsch, nur noch werktags von 7:40 Uhr bis 16:40 Uhr zu arbeiten, steht dem Organisationskonzept einer Bäckerei (Schichtzeiten von 5:40-19.00 Uhr, sowie samstags) entgegen.
     
  3. Stellt dies eine wesentliche Beeinträchtigung des Organisationskonzeptes dar?

    Ja, da das Schichtmodell nicht mehr alle Mitarbeiterinnen gleich belasten kann. Andere Mitarbeiterinnen müssten mehr Früh- und Spätschichten übernehmen.

Der Arbeitgeber muss bei der Interessenabwägung auch die anderen Mitarbeiterinnen berücksichtigen.  Diese haben teilweise ebenfalls betreuungsbedürftige Kinder und deshalb auch ein Interesse, in der Tagschicht zu arbeiten.  Nur weil die Klägerin alleinerziehend sei, könne sie gegenüber den anderen Mitarbeiterinnen nicht begünstigt werden, so das LAG. Wenn eine Betreuung durch den Vater nicht möglich gewesen wäre, so doch zumindest eine Betreuung durch Dritte.

Bei der Erstellung des Schichtplans muss sich der Arbeitgeber auf die nachvollziehbaren persönlichen Umstände der Beschäftigten beschränken, er muss sich nicht nach den aktuellen Familienverhältnissen im Detail erkundigen oder diese gar prüfen.  Das ist ihm schon wegen des Schutzes der Privatsphäre verwehrt, so das LAG. Auch muss der Arbeitgeber nicht prüfen, welche Anstrengungen die Mitarbeiter/innen jeweils unternehmen, um die Kinderbetreuung sicherzustellen. Dass es anderen Mitarbeiter/innen gelingt, ihre arbeitsvertraglichen und familiären Pflichten miteinander zu vereinbaren, rechtfertigt es nicht, diese mit ungünstigen Schichten zusätzlich zu belasten und gegenüber einer alleinerziehenden Arbeitnehmerin zu benachteiligen.

Hinweis für die Praxis

Schicht- und Dienstpläne sind mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG), dazu gehören auch Beginn und Ende der Schichten sowie der Personenkreis, der den einzelnen Schichten zugewiesen wird. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine hohe Priorität erhält, gerade in Branchen, in denen viele Frauen in Teilzeit arbeiten, wie hier im Bäckereibetrieb.

© bund-verlag.de (kh)

Quelle

LAG Mecklenburg-Vorpommern (13.07.2023)
Aktenzeichen 5 Sa 139/22
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