Corona

Abmahnung wegen Nichtvorlage eines Impfnachweises unzulässig

17. Juli 2024
Impfausweis Impfnachweis Impfpass vaccination card
Quelle: Pixabay

Während der einrichtungsbezogenen Impfpflicht für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen im Jahr 2022 durften Arbeitgeber Beschäftigte, die keinen Impfnachweis vorlegen wollten, unbezahlt von der Arbeit freistellen. Zur Abmahnung dieser Beschäftigten waren sie aber nicht berechtigt - so nun das Bundesarbeitsgericht.

Darum geht es

Die Arbeitnehmerin ist seit 2007 als Altenpflegerin in einem Pflegeheim beschäftigt. Während der Corona-Pandemie 2022 ließ sie sich nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen. Sie legte auch ihrem Arbeitgeber entgegen der gesetzlichen Vorgabe in im Frühjahr 2022 auch keinen der geforderten Nachweise vor (Impfnachweis, Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest, dass sie nicht geimpft werden könne).

Der Arbeitgeber erteilte ihr deshalb eine Abmahnung und stellte sie ab dem 16. März 2022 bis auf Widerruf ohne Vergütung von der Arbeit frei. Vom 21. bis zum 31. März 2022 war die Klägerin außerdem infolge einer Corona-Infektion arbeitsunfähig erkrankt.

Die Arbeitnehmerin klagte auf die Entfernung der ihr erteilten Abmahnung aus der Personalakte sowie  ihre restliche Vergütung für März 2022. Der Arbeitgber sei zu einer unbezahlten Freistellung nicht berechtigt gewesen. Als,sogenannte Bestandsmitarbeiterin (vor dem 16. März 2022 eingestellt) hätte sie bis zu einer entsprechenden Untersagung durch die zuständige Behörde auch ohne Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 weiter arbeiten dürfen.

Das sagt das Bundesarbeitsgericht

Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat die Klage der Altenpflegerin auf Vergütung abgewiesen, aber bestätigt, dass die Abmahnung zu Unrecht erteilt wurde.

Kein Vergütungsanspruch während der Freistellung

Die Klägerin habe für die Zeit ihrer Freistellung im März 2022 keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs (§ 615 Satz 1 iVm. § 611a Abs. 2 BGB), weil sie entgegen der Anordnung ihrem Arbeitgeber keinen Immunitätsnachweis iSd. § 20a IfSG aF vorgelegt habe und damit außerstande war, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (§ 297 BGB).

Nach § 20a Infektionsschutzgesetz in der damaligen Fassung (IfSG aF) war nicht nur das Gesundheitsamt berechtigt, einer Person, die den Immunitätsnachweis nicht vorgelegt hatte, zu untersagen, die jeweilige Einrichtung zu betreten und dort tätig zu werden.

Nach der Gesetzesbegründung hatte die Regelung den Zweck, insbesondere vulnerable Patienten und Bewohner von Pflegeeinrichtungen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen und die Einrichtungen funktionsfähig zu erhalten.

Damit gab die Vorschrift auch den Arbeitgebern als Betreibern dieser Einrichtungen die Möglichkeit, die Vorgaben des § 20a IfSG aF durch ihr Weisungsrecht umzusetzen und  für den begrenzten Zeitraum vom 16. März bis zum 31. Dezember 2022 die Vorlage eines Immunitätsnachweises zu verlangen.  

Die in § 20a IfSG aF geregelte "einrichtungsbezogene Impfpflicht" habe auch der verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standgehalten (BVerfG 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – BVerfGE 161, 299).

Keine Entgeltfortzahlung 

Soweit die Arbeitnehmerin im Streitzeitraum auch arbeitsunfähig krank war, scheitert ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG am Grundsatz der sog. Monokausalität, denn die Erkrankung der Klägerin war wegen des zugleich fehlenden Immunitätsnachweises nicht die alleinige Ursache für den Verdienstausfall.

Abmahnung muss entfernt werden

Allerdings gewann die Klägerin mit ihrem Antrag, dass der Arbeitgeber die erteilte Abmahnung aus deren Personalakte entfernen muss. Eine Abmahnung soll den Arbeitnehmer grundsätzlich auf eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten aufmerksam machen, ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auffordern und ihm mögliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung aufzeigen. In der unterlassenen Vorlage eines Immunitätsnachweises (§ 20a Abs. 2 IfSG aF) liege danach keine abmahnfähige Pflichtverletzung, so das Bundesarbeitsgericht.

Das in Art. 2 Abs. 1 GG wurzelnde Selbstbestimmungsrecht der im Pflegebereich Tätigen, in freier Entscheidung eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 abzulehnen, sowie deren Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) hatten Arbeitgeber als höchstpersönliche Entscheidung der Arbeitnehmer zu respektieren. Wegen des vom Beklagten zu achtenden besonderen Charakters dieser grundrechtlich geschützten Entscheidung die Abmahnung als ungeeignetes Mittel zur Verhaltenssteuerung.

Aufgrund der mit ihr verbundenen Gefährdung des Bestands des Arbeitsverhältnisses sei die Abmahnung – anders als der vorübergehende Verlust der Entgeltansprüche für die befristete Dauer der Freistellung – eine unangemessene Druckausübung und damit unverhältnismäßig.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (19.06.2024)
Aktenzeichen 5 AZR 192/23
Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung vom 19.6.2024
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