Vergütung

BVerfG: Vergütung für Häftlinge ist verfassungswidrig

22. Juni 2023 Vergütung
Gefaegnis
Quelle: pixabay

Die Vergütung von Gefangenen im Gefängnis beträgt derzeit in der Regel weniger als zwei Euro pro Stunde. Das ist zu niedrig und verstößt gegen das grundrechtliche Gebot der Resozialisierung. So das Bundesverfassungsgericht (BVerfG).

Im Durchschnitt verdienten Häftlinge im Jahr 2022 zwischen 1,37 Euro bis 2,30 Euro in der Stunde. Dagegen hatten ein Häftlin aus Bayern und einer aus Nordrhein-Westfalen Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsericht (BVerfG) eingereicht. Die Vergütung sei zu niedrig und verstoße gegen das Resozialisierungsgebot.

Das sagt das Gericht

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gab den Häftlingen Recht. 

Das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot ist für alle staatliche Gewalt verbindlich. Der Strafvollzug muss auf das Ziel der Resozialisierung der Gefangenen ausgerichtet sein. Der einzelne Gefangene hat einen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass dieser Zielsetzung bei ihn belastenden Maßnahmen genügt wird.

Für die Freiheitsstrafe, bei der die staatliche Gewalt die Bedingungen der individuellen Lebensführung weitgehend bestimmt, erlangt das Gebot der Resozialisierung besonderes Gewicht. Den Gefangenen sollen die Fähigkeit und der Wille zu eigenverantwortlicher Lebensführung vermittelt werden. Sie sollen sich in Zukunft unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne Rechtsbruch behaupten, die Chancen einer solchen Gesellschaft wahrnehmen und ihre Risiken bewältigen können.

Angemessene Anerkennung der Arbeit

Aus dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot folgt, dass Arbeit im Strafvollzug nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel ist, wenn die geleistete Arbeit angemessene Anerkennung findet. Die Arbeit im Strafvollzug bereitet vor allem dann auf das Erwerbsleben in Freiheit vor, wenn sie durch ein Entgelt vergütet wird. 

Ermöglichung von Unterhalts- und Wiedergutmachungszahlungen

Die Ermöglichung von Unterhalts- und Wiedergutmachungszahlungen muss, wenn dies in dem jeweiligen Resozialisierungskonzept vorgesehen ist, bei der Festsetzung der Vergütungshöhe ebenfalls berücksichtigt werden. Gleiches gilt für die Tilgung von Schulden, sei es auch nur in geringem Umfang.

Bemessung der Vergütungshöhe

Mit der Höhe der Vergütung kann der Gesetzgeber auch Anreize für geeignete Gefangene schaffen, sich therapeutischen Maßnahmen zu unterziehen oder eine schulische oder berufliche Aus- oder Weiterbildung zu absolvieren. Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Justizvollzugsanstalten ist es aber ein legitimes Ziel, zu große Einkommensunterschiede der Gefangenen untereinander und deren negative Auswirkungen auf das Anstaltsleben zu vermeiden.

Die Bezahlung vergleichbarer Tätigkeiten auf dem freien Arbeitsmarkt kann ebenso in den Blick genommen und einbezogen werden wie die typischen Bedingungen des Strafvollzugs, insbesondere die in der Regel geringere Produktivität von Gefangenenarbeit.

Gefangenengewerkschaft hofft auf deutlich höhere Löhne

Die Gefangenengewerkschaft begrüßt die Entscheidung des BVerfG. »Wir hoffen, dass wir hier schon einen ganz schönen Sprung nach oben machen«, so der Sprecher der Gefangenengewerkschaft, Manuel Matzke. Etwa fünf bis sieben Euro pro Stunde stelle er sich vor.

Grundsätzlich fordert die Gefangenengewerkschaft, dass Häftlinge den Mindestlohn erhalten. Das ist bisher nicht der Fall, da Arbeit in Haft nur eine Resozialisierungsmaßnahme ist. »Aktuell sind wir einfach auf dem Stand, dass vermittelt wird, dass ehrliche Arbeit sich nicht auszahlt. Und so kann niemand resozialisiert werden«, so  Matzke.

Länder müssen nachbessern

Die gesetzlich festgeschriebenen Resozialisierungskonzepte des Freistaats Bayern und des Landes Nordrhein-Westfalen werden diesen Maßstäben nicht gerecht. Sie verstoßen gegen das Resozialisierungsgebot und verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Resozialisierung. Die Bundesländer müssen daher ihre Gesetze nachbessern. Das Urteil hat aber auch Signalwirkung für alle anderen Bundesländer.

© bund-verlag.de (ls)

Quelle

BVerfG (20.06.2023)
Aktenzeichen 2 BvR 166/16; 2 BvR 1683/17
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