Betriebsbedingte Kündigung

Fehler in der Sozialauswahl machen die Kündigung unwirksam

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Quelle: © S. Engels / Foto Dollar Club

Kündigungen anlässlich einer Betriebsschließung sind unwirksam, wenn bei der Sozialauswahl falsche Vergleichsgruppen gebildet wurden. Auf Fehler in der Anzeige an die Arbeitsagentur können sich Beschäftigte hingegen nicht berufen – so das Landesarbeitsgericht Düsseldorf.

Darum geht es

Die Arbeitgeberin stellt in ihrem Betrieb Aluminiumgussteile her und vertreibt diese. Der Betrieb beschäftigte zuletzt knapp 600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Kläger war dort seit 2012 beschäftigt. Am 1.3.2022 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet. Später beschlossen die Gläubiger die Einstellung der Geschäftstätigkeit zum 31.12.2022.

Im Dezember 2022 sprach die Arbeitgeberin gegenüber allen Beschäftigten betriebsbedingte Kündigungen aus. Diese wurden ab dem 1.1.2023 unwiderruflich freigestellt. Davon ausgenommen waren die 53 Beschäftigten des Abwicklungsteams. Von diesem Team erhielten dreizehn Personen Kündigungen zum 31.3.2023, die übrigen vierzig Personen Kündigungen zum 30.6.2023. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte die Arbeitgeberin zum 31.3.2023.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Solingen gab der Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters statt und erklärte die Kündigung wegen Fehlern bei der Sozialauswahl für unwirksam (ArbG Solingen 13.04.2023 – 3 Ca 126/23).

Das sagt das Gericht

Auch in der Berufung hatte die Kündigungsschutzklage Erfolg. Die Kündigung war aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) unwirksam, so das LAG: Bei einer etappenweisen Betriebsstillegung hat der Arbeitgeber keine freie Auswahl, wem er früher oder später kündigt. Er müsse für die Abwicklungsarbeiten grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen.

Fehler bei den Vergleichsgruppen

Die Arbeitgeberin hatte hier die Sozialauswahl methodisch fehlerhaft durchgeführt, weil sie die Vergleichsgruppen fehlerhaft gebildet hatte. So hatte sie diese u.a. anhand der ursprünglich ausgeübten Tätigkeiten gebildet. Sie hätte die soziale Auswahl stattdessen anhand der noch im Abwicklungsteam anfallenden Tätigkeiten vornehmen müssen.

Dazu hatte die Arbeitgeberin vor Gericht allerdings nur unvollständige Angaben gemacht. Sie hätte aus Sicht des LAG noch vortragen müssen,

  • welche Aufgaben mit welcher Dauer im Abwicklungsteam anfielen,
  • welche Anforderungsprofile dafür erforderlich waren
  • und wie auf dieser Grundlage ein Vergleich vorgenommen werden soll.

Die daraus folgende Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl habe die Arbeitgeberin auch in zweiter Instanz nicht widerlegt.

Fehler bei der Anzeige sind unerheblich

Das LAG Düsseldorf stellt zudem klar, dass die Kündigung nicht nach § 134 BGB unwirksam ist, weil es bei der Massenentlassungszeige Fehler gab. Etwaige Fehler bei der Anzeige der bevorstehenden Massenentlassung an die Arbeitsagentur gemäß § 17 KSchG stellten keinen Unwirksamkeitsgrund dar, weil diese Anzeige nicht dem Schutz der einzelnen Beschäftigen dient – so das LAG.

Das LAG hat die Revision nicht zugelassen.

Hinweis für die Praxis

Das Urteil zeigt, dass die Sozialauswahl, also die Frage „wer gehen muss“, auch bei einer Betriebsschließung, bei der letztlich alle Arbeitsplätze wegfallen, sorgfältig geprüft werden muss. Die Abwägung, wer schutzwürdig ist, muss den gesamten Schließungsprozess und die sich dabei verändernden Aufgaben berücksichtigen. Der Betriebsrat sollte dem Arbeitgeber oder Insolvenzverwalter bei diesen Abwägungen genau auf die Finger schauen.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

LAG Düsseldorf (09.01.2024)
Aktenzeichen 3 Sa 529/23
LAG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 9.1.2024

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