Inflationsausgleichsprämie

Anspruch auf Inflationsausgleichsprämie in der Elternzeit

Geld
Quelle: pixabay

Inflationsausgleichsprämien, die Arbeitgeber ihren Beschäftigten zahlen, sind bis Ende 2024 steuer- und sozialversicherungsfrei, um die Nachteile der Inflation abzumildern. Viele Arbeitgeber machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Aber oftmals werden nicht alle Beschäftigtengruppen gleichermaßen bedacht. Das Arbeitsgericht Essen entschied nun im Fall von Beschäftigten in Elternzeit.

Das war der Fall

Die Arbeitnehmerin war ab Sommer 2022 bis Sommer 2024 in Elternzeit. Ab Dezember 2023 arbeitete sie in Teilzeit in Elternzeit. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV Inflationsausgleich für den öffentlichen Dienst Anwendung. Demnach besteht ein Anspruch auf Inflationsausgleichszahlungen (Einmalzahlung von 1.240,00 € für das Jahr 2023 und monatliche Zahlungen à 220,00 € von Juli 2023 bis Februar 2024) – jedoch nur unter der Voraussetzung, dass an mindestens einem Tag zwischen dem 1.1.2023 und dem 31.5.2023 ein Anspruch auf Entgelt bestand.

In diesem Zeitraum befand sich die Arbeitnehmerin in Elternzeit, so dass sie keine Inflationsausgleichszahlungen erhielt. Lediglich für die Zeit, in der sie wieder in Teilzeit beschäftigt war, erhielt sie entsprechend der Teilzeitquote anteilige monatliche Zahlungen.

Das sagt das Gericht

Das Arbeitsgericht Essen sprach der Arbeitnehmerin den vollen Inflationsausgleich zu, da die tarifvertragliche Regelung in Bezug auf Beschäftigte in Elternzeit unzulässig ist.

Verstoß gegen den Gleichheitssatz

Es liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Dieser sei eine fundamentale Gerechtigkeitsnorm, der eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie bilde. Gerichte seien aufgrund des Schutzauftrags der Verfassung verpflichtet, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden, sofern die Tarifregelungen offenkundig auf sachwidrigen, willkürlichen Erwägungen beruhen. 

Letzteres war gegeben, da kein sachlich rechtfertigender Grund für die Differenzierung erkennbar war. Auch andere Beschäftigte, die in dem Referenzzeitraum keine Arbeitsleistung erbringen, erhalten den Inflationsausgleich; z.B. Arbeitsunfähige mit Krankengeldzuschuss, selbst wenn dieser wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers nicht gezahlt wird oder Beschäftigte, die im Bezugszeitraum Kinderkrankengeld beziehen.

Diese Konstellationen sind mit der Elternzeit vergleichbar. In allen drei Konstellationen besteht das Arbeitsverhältnis fort, ohne dass eine Arbeitsleitung erbracht wird. Längerfristig erkrankte Beschäftigte sowie Beschäftigte, deren Kind erkrankt ist, erhalten Krankengeld von der Krankenkasse. Beschäftigte in Elternzeit erhalten Elterngeld. Alle drei Gruppen sind in gleicher Weise von gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen. Zudem sind alle drei Gruppen betriebstreu, da sie typischerweise nach der Genesung bzw. nach Ablauf der Elternzeit ihre arbeitsvertragliche Tätigkeit wieder aufnehmen.

Aus den selben Gründen bestand für eine auf die Teilzeitquote reduzierte Zahlung kein sachlicher Rechtfertigungsgrund, so dass die Arbeitnehmerin so zu stellen war, wie eine Vollzeitkraft. 

Kein Entschädigungsanspruch nach AGG

Entgegen der Argumentation der Klägerin sprach das Arbeitsgericht keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Geschlechtsdiskriminierung zu.

Die tarifliche Regelung, die Beschäftigte in Elternzeit ausschließt, kann zwar eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts im Sinne des § 1 AGG darstellen, da Mütter im Allgemeinen häufiger und länger in Elternzeit gehen, als Väter. Allerdings durfte der Arbeitgeber auf die Richtigkeit der Tarifregelung vertrauen. Es hätte einer groben Fahrlässigkeit des Arbeitgebers bedurft, welche nur vorliegt, wenn sich der diskriminierende Charakter der Regelung aufdrängt. Dies war vorliegend nicht der Fall. Vielmehr handelte es sich um eine schwierige Rechtsfrage.
 

Autorin:

Sabrina Burkart, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Arbeitnehmeranwälte Hannover

© bund-verlag.de

Quelle

Arbeitsgericht Essen (16.04.2024)
Aktenzeichen 3 Ca 2231/23
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