Entgelttransparenz

Arbeitnehmerin setzt höheres Entgelt durch

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Quelle: magele_Dollarphotoclub

Das Entgelttransparenzgesetz soll sicherstellen, dass Frauen und Männer bei der Vergütung gleichbehandelt werden. Einer Angestellten aus Stuttgart steht nach dem Vergleich mit ihren männlichen Kollegen eine Erhöhung mehrerer Bestandteile ihres Gehalts zu – so das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg.

Darum geht es

Die Arbeitnehmerin ist in einem Unternehmen im Großraum Stuttgart seit 2015 als Leiterin des „Bereichs Projekt- und Prozessmanagement“ angestellt, wurde aber zwischenzeitlich auf eine andere Stelle versetzt. Ihre Vergütung setzt sich aus einem Grundgehalt, einem so genannten Dividendenäquivalent und einem Company Bonus zusammen.

Sie ließ ihr Gehalt und ihre Arbeitsbedingungen nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) überprüfen und erhob, da die Arbeitgeberin ihre Vergütung nicht anpassen wollte, Klage auf eine höhere Vergütung. 

Das sagt das Gericht

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg sprach der Arbeitnehmerin mit einem Teilurteil nach Maßgabe des EntgTranspG eine für das Jahr 2021 teilweise zu. Erfolgreich war die Klägerin im Hinblick auf zwei ihrer Gehaltsbestandteile (Grundgehalt und Dividendenäquivalent). Ob der weitere Gehaltsbestandteil Company Bonus ebenfalls wegen einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung nach oben angeglichen werden muss, war noch nicht entscheidungsreif – dies wird das Gericht nach weiterer Aufklärung im Berufungsverfahren entscheiden. 

Verbotene Ungleichbehandlung beim Entgelt

Nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. Zudem ist dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. 

Europarechtliche Grundlagen

Hintergrund des EntgTranspG sind Bestimmungen aus dem Recht der Europäischen Union: 

  • Art. 157 Abs. 1 AEUV verlangt, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit das gleiche Entgelt erhalten.
  • Die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt, darunter insbesondere deren Art. 2 Abs. 1 Buchst. e und Art. 4, werden von der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 157 AEUV miterfasst. 
  • Deshalb sind § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG unionsrechtskonform auszulegen, also entsprechend den Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG und im Einklang mit Art. 157 AEUV unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH).

Klägerin wurde bei Grundgehalt und Dividende benachteiligt

Im vorliegenden Fall war die Abgrenzung der einschlägigen männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe von deren Vergütung zwischen den Parteien unstreitig. Demnach sind jedenfalls die Gehaltsbestandteile Grundgehalt und Dividendenäquivalent bei der Klägerin geringer als beim Median ihrer männlichen Vergleichsgruppe. 

Eine derartige Vergütungsdifferenz ist nach Ansicht der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts (im Anschluss an die Rechtsprechung des BAG, 21.1.2021 - 8 AZR 488/19) ein Indiz für eine Verletzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit. Die entsprechende Vermutung muss die Arbeitgeberin im Sinne eines Vollbeweises widerlegen. 

Arbeitgeberin muss Vermutung der Benachteiligung widerlegen

Hier bedeutete das, dass die Arbeitgeberin die prozessuale Last hatte, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorlag, sondern ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung der Klägerin geführt haben. Zulässige andere Gründe wären beispielsweise geschlechtsunabhängige Differenzierungen nach der Berufserfahrung, nach dem Dienstalter oder nach der Qualität der Arbeit gewesen. 


Arbeitgeberin konnte vermutete Benachteiligung nicht widerlegen

Hier hatte sich die Arbeitgeberin zwar darauf berufen, dass die männlichen Kollegen der Klägerin durchschnittlich etwas länger im Unternehmen beschäftigt seien und dass die Klägerin unterdurchschnittlich „performed“ hätte.

Damit hatte sie jedoch aus Sicht der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts die von ihr angewandten Differenzierungskriterien nicht hinreichend konkret dargestellt. Denn aus ihren Angaben ging nicht hervor, wie sie die Kriterien „Berufserfahrung“, „Betriebszugehörigkeit“ und „Arbeitsqualität“ im Einzelnen bewertet und wie sie diese Kriterien zueinander gewichtet hatte. 

Damit hatte sie keine Tatsachen angegeben, die eine wirksame Kontrolle und Nachprüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit durch die Gerichte ermöglicht hätten. Dies wirkte sich zu ihren Lasten aus. 

Ausblick: Verfahren läuft weiter

Gegen das Teilurteil vom 19. Juni 2024 hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts keine Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen – wegen des dritten Gehaltsbestandteils „company bonus“ läuft das Verfahren noch weiter.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

LAG Baden-Württemberg (19.06.2024)
Aktenzeichen 4 Sa 26/23
LAG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 19.6.2024
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