Kündigung

Detektiv-Beschattung und fehlerhafte Anhörung

06. November 2023
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Quelle: Coloures-pic_Dollarphotoclub

Schlimm genug, wenn der Arbeitgeber einen Beschäftigten zur Vorbereitung der Kündigung heimlich von einem Detektiv beschatten lässt. Aber wenn der Arbeitgeber den Personalrat bei der Anhörung dann auch noch bewusst täuscht, ist das Maß voll – und die Kündigung unwirksam.

Was das Gericht im konkreten Fall für Betriebsräte entschieden hat, ist ohne Weiteres auf Personalräte übertragbar: Keine wirksame Kündigung bei unvollständiger Anhörung des Personalrats.

Das war der Fall

Die Parteien stritten erstens über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung und zweitens über einen Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers wegen einer erfolgten Überwachung durch eine Detektei:

  • Bei der Wirksamkeit der Kündigung ging es um die Frage, ob der bestehende Betriebsrat ordnungsgemäß vor dem Ausspruch der Kündigung angehört wurde.
  • Der Arbeitgeber ließ den Arbeitnehmer in der Zeit vom 25.2.2022 bis zum 4.3.2022 durch eine Detektei – jedenfalls stichprobenartig – überwachen. Im Zuge dieser Überwachung wurde die Arztpraxis aufgesucht, die den Arbeitnehmer krankgeschrieben hatte. Außerdem wurde das Wohnhaus der ehemaligen Lebensgefährtin des Klägers observiert; die ehemalige Lebensgefährtin wurde allerdings im Bericht der Detektei nicht erwähnt. Der Kläger wurde ausweislich der Feststellungen des Berichts beobachtet bei verschiedenen »Tätigkeiten und Handlungen«.

Es folgte eine arbeitgeberseitige Verdachtskündigung.

Das sagt das Gericht

Die Kündigung wurde für rechtsunwirksam erachtet, weil die Betriebsratsanhörung bewusst fehlerhaft vom Arbeitgeber durchgeführt wurde. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass – in formeller Hinsicht – die Betriebsratsanhörung vor Ausspruch der Kündigung unwirksam war, weil der Arbeitgeber dem Betriebsrat bewusst Teilaspekte des angenommenen Fehlverhaltens nicht bei der Anhörung schilderte. Der Arbeitnehmer war nämlich der Ansicht, dass der Arbeitgeber die ihm per Änderungskündigung zugewiesenen Aufgaben anderweitig vergeben und ihm stattdessen unterwertige Aufgaben übertragen hat. Es handelt sich hierbei um einen wesentlichen, den Arbeitnehmer möglicherweise entlastenden Umstand. Der Arbeitgeber hat bei der für sie maßgeblichen Gesamtwürdigung in diesem Punkt dem Betriebsrat einseitig nur seine Ansicht mitgeteilt. Einen den Arbeitnehmer möglicherweise entlastenden Umstand der erhobenen Beschäftigungsklage aufgrund der von ihm angenommenen vertragswidrigen Beschäftigung hat der Arbeitgeber bei der Anhörung weggelassen. Es wurde daher dem Betriebsrat nicht ermöglicht, sich ein zutreffendes und vollständiges Bild von den Gründen für die Kündigung zu machen.

Wegen der Videoüberwachung hat das Landesarbeitsgericht den Arbeitgeber verurteilt, gemäß Art. 82 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine Entschädigung in Höhe von 1.500,00 € zu zahlen. Eine weitergehende Entschädigung wurde allerdings nicht zugesprochen.

Hinweis für die Praxis

Für die Anhörung des Personalrats vor Ausspruch einer außerordentlichen (§ 86 Satz 1 BPersVG) gelten dieselben Grundsätze wie für die Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch einer Kündigung nach § 102 BetrVG. Der Arbeitgeber muss nach den Kriterien der »subjektiven Determination« die Anhörung richtig durchführen. Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber darf nichts auslassen oder entstellende und verfälschende Angaben machen. Betriebs- und Personalräte müssen nach der Anhörung in der Lage sein, die Sachlage zutreffend beurteilen zu können. Fehlen entscheidende Angaben bei der Anhörung, ist zu unterscheiden: Handelt sich bei einer unvollständigen Unterrichtung des Betriebs- oder Personalrats um eine zwar vermeidbare, aber bloß unbewusst erfolgte objektive Fehlinformation oder hat der Arbeitgeber die relevanten Umstände (mehr oder weniger) bewusst weggelassen, um einige Punkte sozusagen auszuklammern. Bei einem bewussten Vorenthalten von Informationen ist die Anhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt und eine Kündigung schon deswegen unwirksam.

Dr. Ewald Helml, Direktor des Arbeitsgerichts Rosenheim a.D.

Quelle

LAG Düsseldorf (26.04.2023)
Aktenzeichen 12 Sa 18/23
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