Sonderpreis Innovative BR-Arbeit - Deutscher Betriebsräte-Preis 2012

2012 SP Innovativ

Projekt: Tarifsicherheit trotz Privatisierung
Bewerber/in: Betriebsrat der E-Center Scheuner e.K.
Beschäftigtenzahl: 50
Branche: Einzelhandel
Gewerkschaften: ver.di

Stichworte zum Projekt:

  • Privatisierung einer EDEKA-Filiale führt zum Wegfall der Tarifsicherheit für Mitarbeiter. Betriebsrat startet umfangreiche Aktionen zur Beibehaltung
  • Nach langen Auseinandersetzung und Spaltung der Belegschaft erzielt Gremium volle Tarifbindung im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung

Motiv

Die EDEKA privatisiert immer mehr Filialen aus dem Regiebetrieb. Es ist ihr genossenschaftlicher Auftrag, regiegebundene und in Tarifsicherheit befindliche Filialen an private Kaufleute zu veräußern. Die Belegschaft verliert dadurch die Tarifsicherheit, da es keinen selbständigen Kaufmann gibt, der dem Arbeitgeberverband mit Tarifbindung angehört. Urlaubs- und Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen und jährliche Gehaltserhöhungen sind für die meisten der ca. 120 000 Beschäftigten bei den insgesamt 4500 privaten EDEKA-Händlern absolute Ausnahmen.
Auch die EDEKA-Filiale in Bad Gandersheim bekam Ende Februar 2011 sehr kurzfristig die Nachricht vom Verkauf, der bereits zum 1. April 2011 erfolgen sollte. In diesem Markt gibt es erst seit Juni 2010 einen eigenen Betriebsrat. Das Bestreben des Betriebsrats war es nun, so viel Sicherheit wie nur möglich für die Belegschaft zu erreichen, denn im Allgemeinen verlieren die Arbeitnehmer nach einem Jahr die Tarifsicherheit. Dies wollten die Kollegen zusammen mit dem Betriebsrat verhindern. Gemeinsam entschlossen sie sich daher, für die Tarifsicherheit zu kämpfen.

Vorgehen

Unmittelbar nach Bekanntgabe des anstehenden Verkaufs startete der Betriebsrat, unterstützt von ver.di, mit seinen Aktionen zur Beibehaltung der Tarifstandards. Der Organisationsgrad wurde kurzfristig auf 90 % erhöht und der Käufer erhielt die freundliche Aufforderung zum Eintritt in den Arbeitgeberverband mit Tarif oder Abschluss eines Anerkennungs-Tarifvertrages, was dieser aber verweigerte. Es folgten intensive Diskussionen über das weitere Vorgehen und die erneute Aufforderung zu Verhandlungen. Ein langwieriger Verhandlungsmarathon schloss sich an, in dem der Betriebsrat nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber seine Positionen markierte, sondern auch innerhalb der Belegschaft kontinuierlich um Engagement und eine Fortsetzung des eingeschlagenen Wegs argumentieren musste.
Das Gremium nutzte verschiedene Formen der Öffentlichkeit, um auf die Situation für die Mitarbeiter aufmerksam zu machen. Parallel dazu fanden Sondierungsgespräche mit dem Käufer statt – ohne Ergebnis. Das Gremium steigerte den Druck, wandte sich an die Medien und nutzte öffentliche Veranstaltungen, um das Thema einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Im Laufe dieses Prozesses setzte dann noch eine Spaltung der Belegschaft ein, in der sich Teile der nicht organisierten Mitarbeiter gegen die Forderungen des Betriebsrates stellten. Aus beiden Lagern wurden Mobbingvorwürfe erhoben. Es folgten Kontaktaufnahmen mit der EDEKA-Zentrale, Mediationsversuche und weitere langwierige Verhandlungsrunden.

Ergebnisse

Schließlich einigten sich Betriebsrat und Unternehmer auf eine freiwillige Tarifvereinbarung. Die zum Zeitpunkt des Abschlusses beim E-Center Scheuner Beschäftigten erhalten demnach für die nächsten zweieinhalb Jahre die volle Tarifbindung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen und jährliche Gehaltserhöhungen. Die Regelung wurde zwischen der EDEKA-Zentrale, dem Betriebsrat und dem Unternehmer vereinbart.
Damit ist das E-Center in Bad Gandersheim der erste an einen privaten Händler verkaufte EDEKA-Markt in Deutschland, der auch weiterhin in der Tarifbindung verbleibt.

Zusatzmaterialien:

Präsentation Edeka