2 Psyche und Arbeitswelt

2.1 Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung

Psychische Störungen sind in der Allgemeinbevölkerung relativ weit verbreitet. Nach einer großen europäischen Studie ist mehr als ein Viertel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Laufe eines Jahres einmal von einer psychischen Störung betroffen. Dementsprechend häufig sind psychische Störungen auch unter den Beschäftigten. Nur ein Teil dieser Krankheitslast schlägt sich in den Arbeitsunfähigkeitsdaten nieder (Abb. 39).

Von der Größenordnung her werden diese Angaben durch Behandlungsdaten der Krankenkassen bestätigt. Demnach wies beispielsweise – nach den aktuell zugänglichen Daten – etwas mehr als ein Drittel der Versicherten der Barmer GEK im Jahr 2016 im ambulanten Bereich eine Diagnose aus dem Bereich der psychischen Störungen auf (Abb. 40). Unsere Tabelle zeigt im Zeitverlauf seit 2006, wie der Anteil der Versicherten mit den entsprechenden Diagnosen kontinuierlich angestiegen ist.

Viele Experten sind der Auffassung, dass die psychischen Störungen an sich nicht zunehmen, sondern dass es nur zu einer stärkeren Offenlegung der vorhandenen Krankheitslast im Versorgungssystem gekommen ist, etwa bei den Behandlungen oder den Krankschreibungen.

Davon zu unterscheiden ist die Zunahme psychischer Belastungen am Arbeitsplatz, die jedoch nicht unmittelbar mit einer Zunahme psychischer Störungen einhergehen muss, sondern sich gesundheitlich auch in körperlichen Störungen niederschlagen kann (mehr dazu in Abschnitt 3.3).

Dass psychische Störungen immer häufiger Anlass für ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen sowie für Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung werden, zeigt sich deutlich in den Routinedaten des Versorgungssystems. So gab es beispielsweise bei den Krankenhausfällen infolge von psychischen Störungen im erwerbsfähigen Alter (15 bis unter 65 Jahre) 2016 fast 1 Mio. stationäre Behandlungsfälle, 32% mehr als zu Beginn des Jahrtausends (Abb. 41). Nach einer kontinuierlichen Zunahme zwischen 2000 und 2014 stagniert dieser Wert seit einigen Jahren auf konstant hohem Niveau.

Bei den Psychopharmaka-Verordnungen geht es im Wesentlichen um Psychoanaleptika und Psycholeptika. Psychoanaleptika umfassen Medikamente mit vorwiegend anregender Wirkung, Psycholeptika solche mit vorwiegend dämpfender Wirkung auf die Psyche. Zur Untergruppe der Psychoanaleptika gehören beispielsweise Antidepressiva sowie Ritalin. Beispiele für Psycholeptika sind zentral wirksame Schmerz-, Beruhigungs- und Schlafmittel sowie Antipsychotika. Die Verordnungszahlen bei den Psychoanaleptika nehmen seit Jahren zu, in den letzten 10 Jahren um mehr als 75%. Darin spiegelt sich zum Teil auch der Anstieg der diagnostizierten Depressionen wider. Psycholeptika-Verordnungen gingen dagegen leicht zurück (Abb. 42).