Deutscher Betriebsräte-Preis 2018 in Gold

Betriebsrat der Helios Klinikum Salzgitter GmbH
Projekt:
Zu wenig Pfleger für zu viele Patienten! Wir brauchen mehr Personal - Betriebsräte machen mobil

„Der Betriebsrat hofft, dass noch viele Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken und anderen Pflegeeinrichtungen von dem Urteil profitieren können und sie jetzt einen Hebel in der Hand haben, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und die Qualität der Pflege durch mehr Personal zu verbessern!“

Gitta Müller, Betriebsratsvorsitzende

Daten und Stichworte zum Projekt

Projekt: Zu wenig Pfleger für zu viele Patienten! Wir brauchen mehr Personal - Betriebsräte machen mobil
Bewerber/in: Betriebsrat der Helios Klinikum Salzgitter GmbH
Beschäftigtenzahl: 501-1000
Branche: Gesundheitswesen/ Krankenhäuser
Gewerkschaften: ver.di

 

Stichworte zum Projekt

  • Starke Überlastung in der Pflege und fortwährende Verletzung des Arbeitszeitgesetztes aufgrund zunehmend prekärer Personalsituation
  • Wegen fehlender Rechte des Betriebsrats bei Personalausstattung, setzte das Gremium konsequent  auf den Hebel der Mitbestimmung bei Dienstplanänderungen
  • Einigungsstellenverfahren und gerichtliche Auseinandersetzungen bis zum BAG führen zu wegweisendem Urteil über Mitbestimmung bei Dienstplänen und empfindlichen Bußgeldzahlungen des Arbeitgebers

 

Motiv

Arbeitsverdichtung, schlecht planbare Dienste, zunehmende Verschärfung bei der personellen Ausstattung. Pflegekräfte stehen unter einem enormen Druck, die Anforderungen nehmen kontinuierlich zu. Der Ruf nach Entlastung wird immer lauter. Die prekäre Personalsituation führt zudem zu häufigen Verletzungen von arbeitszeitrechtlichen Vorgaben und der Mitbestimmung bei Dienstplänen und deren Änderungen. Auch im Helios Klinikum Salzgitter wird das Personal, aus Sicht des Betriebsrats, auf das absolute Minimum heruntergefahren. Die verbleibenden Beschäftigten fühlen sich dennoch verantwortlich, eine patientengerechte Versorgung aufrecht zu erhalten und stoßen damit an ihre Belastungsgrenzen, mit zum Teil massiven Folgen für die eigene Gesundheit und das Privatleben. Der Betriebsrat bemängelte seit langem, dass verlässliche Dienstpläne fehlten und die Mitarbeiter sehr häufig "aus dem Frei" geholt wurden. Es fehlten praxistaugliche Betriebsvereinbarungen zu Arbeitszeit, Ausfallmanagement und Dienstplangenehmigung. Um die Beschäftigten endlich vor der ständigen Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber zu schützen, wurde das Gremium nachhaltig aktiv.

Vorgehen

Da nach einhelliger Rechtsprechung keinerlei Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Personalausstattung besteht, sah die Betriebsräte eine Möglichkeit, indirekte Hebel anzusetzen.  Dies erfolgt über Mitbestimmung zu Fragen der Arbeitszeit und insbesondere bei Dienstplanänderungen. Da in den Kliniken die Personaldecke auf ein Minimum heruntergefahren ist, führt z.B. jeder Krankheitsausfall zu einer Ausnahmesituation. Hier hat das Gremium konsequent angesetzt.


Ergebnisse

Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei jeder Änderung des Dienstplanes. Dieses wurde konsequent eingefordert. Zugestimmt wurde Änderungen nur dann, wenn vorher über ein vernünftiges Personalausfallmanagement (Springerpool, Rufbereitschaft etc.) ausreichend Personal zur Verfügung gestellt wurde. Hierfür erteilte der Betriebsrat vorab seine Zustimmung, allerdings nur dafür. In den Fällen, in denen der Arbeitgeber sich nicht daran hielt, verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung. Jeder Verstoß des Arbeitgebers wird mit einem Unterlassungsverfahren gemäß § 23 BetrVG sanktioniert.

Das Motto des Gremiums: Wenn der Arbeitgeber eine ausreichende Personalreserve vorhält, ist alles in Ordnung und der Betriebsrat gibt vorab sein Okay, wenn allerdings nicht, wird der Arbeitgeber mit Unterlassungsverfahren zu Strafzahlungen in erheblichen Ausmaßen verklagt.  Durch Einigungsstellenverfahren und gerichtliche Auseinandersetzungen erwirkte der Betriebsrat so im April 2018 eine Strafzahlung von € 135.000. Außerdem wurde ein wegweisendes BAG-Urteil zur Mitbestimmung bei Dienstplänen erzielt. Der Arbeitgeber muss nun auf Augenhöhe mit dem Betriebsrat verhandeln, wenn er weitere Zwangsgelder vermeiden will.